Während der Vorstellungsrunde des TYPO3 Barcamps in Essen passierte etwas für mich bislang völlig Neues:
Von den über 110 Teilnehmern waren knapp 80 zum ersten Mal überhaupt auf einer TYPO3 Veranstaltung. Gleichzeitig war der Anteil Entwickler deutlich niedriger als bei früheren TYPO3-bezogenen Veranstaltungen – vielmehr waren eine menge Designer, Redakteure und Projektmanager da. Ich selbst habe eher die strategischen Sessions besucht, zum Beispiel „agiles Projektmanagement“ oder „TYPO3 Events“ mit Volker Graubaum und sogar (man glaubt es kaum) den TYPO3 Association Roundtable mit Eike Diestelkamp und Peter Pröll. Hierbei habe ich ausnahmsweise einmal die Klappe gehalten und mir sehr genau angehört, mit welchen Hürden neue Anwender so kämpfen. Auf der Fahrt nach Hause haben Dennis Breuer und ich lange darüber nachgedacht, was man mit solchen Informationen macht – wir halten solches Feedback für absolut wichtig und wir alle als TYPO3 Community sollten dieses Feedback sehr ernst nehmen.
Das Ergebnis dieser Überlegungen (und der recht kurzen Nacht vorher) war meine mittlerweile kontrovers diskutiere Präsentation auf Slideshare. Im Nachhinein ist man immer schlauer, weswegen ich mich darüber ärgere, den Titel der Präsentation nicht mit einem Fragezeichen am Ende versehen zu haben. Ursprünglich war die Idee der Slides auch eher, in 5-10 Minuten einen lustigen Einstieg in die Materie zu geben und den neuen Menschen in der Community teilweise zu erklären, auf welchen historischen Gegebenheiten Teile der Infrastruktur der Community-Kommunikation heute fußen. In keinster Weise war meine Intention die Arbeit von irgendjemandem zu kritisieren – ich wollte lediglich mit einer gewagten These Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.
Weiterhin ist ein Wechsel von Newsgroups zu einem richtigen Forum natürlich nicht die Lösung aller Probleme, aber dennoch ein wichtiger Schritt, die Arbeit, die ja nun auf den Schultern von uns allen lastet, zu reduzieren.
Ich kann nachvollziehen, dass die Slides zunächst als „Ah, Mattes flamed mal wieder“ verstanden wurden – letztendlich sind sie, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen sind, schwer anders zu verstehen. Gepostet habe ich sie letztendlich im Übrigen auch nur, weil nach der Session mehrere Teilnehmer danach gefragt haben, mir war schon klar, dass das Traaraa gibt.
Was ist also das tatsächliche Thema?
Die TYPO3 Community ist naturgemäß eine eher technisch orientierte Community. Letztendlich war man ja auch immer stolz, mit TYPO3 keinen 1&1 Homepage-Baukasten anzubieten. So fielen für Neulinge Einstiegshürden wie sich bei Mailinglisten anzumelden o.ä. nicht weiter ins Gewicht. Meine These ist, dass wir gegenüber der Marktbegleiter (so nennt man das jetzt politisch korrekt) ins Hintertreffen geraten. Was heute noch nicht kritisch auffällt ist in 5 Jahren bereits ein ernst zu nehmendes Problem – denn die Einsteiger heute sitzen eventuell bald an den Stellen, wo sie auf einmal Entscheider sind.
Hierbei geht es auch nicht darum, zu diskutieren, ob die Einsteigshürden hoch sind oder nicht – dies fällt eh in den Bereich der Subjektivität. Es geht darum, dass eine Hürde nur hoch genug sein muss, um ein potentielles Community Mitglied abzuschrecken. Das dies der Fall ist, hat sich aus Gesprächen auf dem Barcamp ergeben.
Während der angeregten und produktiven Diskussion kam recht schnell ein Thema hoch – Teile der Community suchen Führung. Naturgemäß kommt einem hier als erstes die TYPO3 Association in den Sinn – was ja auch naheliegt. Die T3A versteht sich aber eher als organisatorisches Organ (so hat man es mir zumindest erklärt) und sieht sich daher nur bedingt in der Zuständigkeit, Entscheidungen zu treffen. Da ja „früher alles besser war ™“ sollten wir uns ansehen, wobei es beim Thema Führung geht. Gemeint ist nicht Diktatur, sondern Guidance, also eher Richtung Orientierungshilfe – so zumindest der Konsens aus der Session. Früher hatten wir Kasper – keine klassische Leader-Person, aber dennoch Ikone genug, um als letzte Instanz immer wieder respektiert zu werden und damit folgerichtig unter enormen Druck.
Heute haben wir… naja… wen eigentlich?
Es gibt den gesamten FLOW/NEOS Teil, hier kann man sicherlich Robert und Karsten als zentrale Rollen nennen. Im Bereich TYPO3 CMS sieht es da schon schwieriger aus, aber auch da kommen Namen wie Ingo Renner, das „Steffen-Array“, Michael Stucki, Benni Mack und viele mehr (die ich nicht böswillig nicht aufzähle, sondern weil mein Platz hier limitiert ist :)). All diese Namen haben eine Gemeinsamkeit: An allen hängen unzählige Patches, Features, Codezeilen – kurz: Technik. Die Leistungen aller im Core Team (und der außen rum) kann man nicht bestreiten, ohne euch gäbe es TYPO3 in seiner jetzigen Form nicht.
Es ist also nur logisch, dass man sich, wenn das Thema Strategie aufkommt, schnell auf einmal im Bereich Technik wieder findet. Aber eigentlich wollten wir ja strategisch sprechen und nicht technisch.
Hier tut sich jetzt die Crux auf, wie Leistung bzw. Contribution in der TYPO3 Welt berechnet wird. Rechnen wir nur in Code Zeilen? Oder in besuchten Events? Oder in Talks, die wir gehalten haben? Wie entlohnen wir neue Mitglieder, die vielleicht noch nicht tief genug im System stecken, um am Core mit zu entwickeln? Wie kommen wir zu unserem selbst-gesetzten Ziel: ENABLE people to share.
Wir sollten neue Kanäle öffnen, um neue Mitglieder zu gewinnen – das Talent ist da, wir müssen es nur auffinden können. Dazu gehört ein Umdenken im Bereich von Technik. Die Technologie ist wichtig, aber sie darf kein Hindernis sein, um auch Designer oder Projektmanager an Bord zu holen.
Gleichzeitig ist das TYPO3 Projekt zu groß, um von nur einem Community Manager vertreten zu werden. Ich ziehe meinen Hut vor Ben, gleichzeitig sollten wir versuchen, ihn zu entlasten.
Eine Art Community Team oder Community Board wäre etwas, was ich mir durchaus vorstellen könnte. Dieses Team setzt sich hierarchisch zusammen und geht von Ben bis zum Veranstalter einer Usergroup – welcher wiederum regelmäßig reported, mit welchen Sorgen sich die Community herumschlägt. Gleichzeitig könnte man mehr Transparenz erzeugen (wobei es eigentlich kaum noch wirklich intransparente Themen gibt) und die Community in Entscheidungen involvieren.
Ein solches Team könnte sich daher mit Marktanalysen anderer Communities befassen, Hilfestellung bei der Neugründung einer Local Community leisten und das Marketing Team (die meines Wissens nach auch unter Hochlast arbeiten) unterstützen.
Wie einige ja wissen, bin ich berüchtigt dafür, kontroverse Themen auf den Haken zu nehmen und freue mich über Feedback in Form von Tweets, Flames oder Konstruktivem.
Cheers
der Mattes
— Dies ist ein Gast Beitrag von Mathias Schreiber