TYPO3 hat eine lange Reise hinter sich: Vom CMS mit ausgeprägtem Nerdgeschmack zu einer Enterprise-Lösung mit bestem Renommee, vor allem im deutschsprachigen Raum. In letzter Zeit macht sich jedoch immer häufiger Unmut breit; höchste Zeit, mögliche Ursachen dafür zu auszumachen und gegenzusteuern.
Fortschritt versus Rückwärtskompatibilität
Eine kontroverse Debatte entbrannte in jüngerer Vergangenheit über die Entwicklung von Neos (genauer gesagt über die Verteilung des Etats). Da wurde plötzlich sehr deutlich, dass es in der TYPO3-Anhängerschaft sehr große Vorbehalte gegenüber dieser radikalen Neuentwicklung gibt – ungeachtet der daraus resultierenden Vorteile für TYPO3 wie z.B. die Rückportierung von Fluid und Extbase.
Never change a winning team!?
Dass der Fortschritt von TYPO3 in puncto Extensionentwicklung und Templating in weiten Teilen der Community (oder besser “Nutzerschaft”) kaum zur Kenntnis genommen wurde, wird mir in den letzten Wochen immer klarer. Der Proteststurm, der nach der (verfrühten) Meldung losbrach, dass die Entwicklung von TemplaVoila eingestellt soll, hat mir die Augen für die Tatsache geöffnet, wie weit dieses Templating System noch verbreitet ist… Ja, ich habe selbst jahrelang mit TV gearbeitet und weiß die Vorzüge sehr wohl zu schätzen.
Es überrascht mich aber sehr, dass in so vielen Agenturen offensichtlich nie ernsthaft nach Alternativen zu TV gesucht wurde. Bei meinen TYPO3-Projekten bin ich dazu übergegangen, möglichst wenige Extensions von dritten einzusetzen, um Abhängigkeiten zu minimieren. Insbesondere für so eine entscheidende Funktion wie Templating möchte ich so nah am Core bleiben wie nur irgendwie möglich. Ich selbst war von den Möglichkeiten von Fluid (kurz darauf auch von Extbase) begeistert und habe immer wieder nach Wegen gesucht, diese Technologien für meine Webprojekte zu nutzen; ich war überzeugt, dass sie die existierenden Möglichkeiten in naher Zukunft flächendeckend ablösen würden, sobald sich ihre Vorzüge erstmal herumgesprochen hätten und die Kinderkrankheiten ausgemerzt wären.
Ladenhüter 6.x
Wie es scheint, wird auch der aktuelle Versionszweig 6 nur zögerlich angenommen. Die Migration eines bestehenden Projekts auf FAL ist zugegebenermaßen kein Kinderspiel. Nach jahrelangem Warten aber endlich eine Dateiverwaltung zu haben, deren interne Funktionsweise für Redakteure endlich recht intuitiv erfassbar ist (Stichwort Dateikopien als Krücke zur Verhinderung von broken links), sollte aber Ansporn genug sein, für alle kommenden (Re)launchs auf TYPO3 6.x zu setzen. Wenn sich mehr Entwickler früher mit FAL auseinandergesetzt hätten, wären viele Kinderkrankheiten vielleicht schon früher aufgefallen und kuriert worden.
Onward!
Für das Festhalten an bewährten Technologien wie TemplaVoila spricht – kurzfristig und für den Vorteil einiger gedacht – manches. Was bedeutet das aber für die weitere Entwicklung von TYPO3? Die mit viel Herz und Hirn entwickelten neuen Möglichkeiten in TYPO3 werden zu wenig genutzt, um ihre Weiterentwicklung voranzutreiben. Denn dafür ist es notwendig, dass sich die TYPO3-Nutzer intensiv mit den aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen, neue Technologien (soweit möglich und verantwortbar) einsetzen, ausprobieren und vor allem ihr Feedback beisteuern – sei es als Tutorial, Fehlermeldung auf Forge oder als feature request. Und wenn dann viele ihren Unmut konstruktiv äußern – wie kürzlich zum Thema Performance – dann geschieht auch etwas, weil der Druck groß genug ist.
Wenn das vielversprechende Projekt TYPO3 weiter gedeihen soll, dann sollten wir unserer Verantwortung gegenüber dem CMS, dass viele unserer Existenzen sichert, gerecht werden. Ich würde mir wünschen, dass wir uns zu den Entwicklern und zur Entwicklung von TYPO3 bekennen und beitragen, statt (wie in manchen Blogposts) nur zu nörgeln und fussstampfend darauf zu bestehen, dass die guten alten Systeme auf Biegen und Brechen lauffähig bleiben. Eine Spaltung der Community bedeutet eine Bedrohung für TYPO3; wir sollten also daran interessiert sein, unsere Kräfte wieder zu bündeln und uns an der Weiterentwicklung zu beteiligen.
In diesem Sinne: Onward, TYPO3!